9 - Überfahrt - Porto Santo
Die ersten vier Tage auf hoher See
Zuerst ein paar technische Details:
Abreise: Samstag, 27. April/06:50
Ankunft: Dienstag, 30. April 2019/14:00
Nautische Meilen: 466
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6.1 kts
Für mich ist es die erste Überfahrt über mehrere Nächte. Schon die letzten Tage war ich aufgeregt, gereizt und nervös. Ruedi war ebenfalls nicht wie sonst, ich spürte die Last seiner Verantwortung für dieses Vorhaben. Dann endlich passen die Wettervorhersagen für die nächsten Tage, welche wir aus verschiedenen Apps zusammengesucht haben (Windy, Windguru, Windfinder, etc.).
Früh am morgen legen wir bei rosa und hellblau gefärbtem Himmel ab. Der letzte Ankerplatz war vor Ferragudo (vis-à-vis Portimão), so dass wir ungehindert gleich wegkönnen. Beim ersten Sonnenstrahl verlassen wir das Festland von Portugal. An Bord herrschte eine freudige und stille Stimmung.
Die Windrichtung und -stärke passt, wir setzen die Segel und verändern sie praktisch während der ganzen Überfahrt nicht mehr – so konstant ist der Wind. Aber die Wellen haben wir unterschätzt. Die sind relativ hoch.Beeindruckend für mich. Genau dies wollte Ruedi nicht. Er wollte mir eine angenehme erste Erfahrung mitgeben, damit ich Vertrauen aufbaue und nicht Angst. Aber es ist für mich in Ordnung, Angst bekomme ich keine.
Bald schon sehe ich den ersten Delphin. Schön😊 … und die erste Schildkröte!!!! 😊😊
Am zweiten Tag passiert etwas Lustiges. Wir bekommen Besuch aus der Luft und somit eine Mitfahrerin. Eine Taube landet auf unserem Cockpittisch (nach mehreren Anläufen) und bleibt fast genau 24 Stunden bei uns. Sie ist sehr schön und hat zwei Ringe an den Beinen. Und sie ist nicht scheu, sucht ihren Platz und zeigt, dass sie Hunger und Durst hat. Mit dem Essen ist es zuerst schwierig. Tauben essen doch alles? Nein, unsere Lady hat erst bei Leinsamen gepickt!
Über Nacht bleibt sie aufgeplustert am gleichen Ort und schläft. Sie gleicht automatisch die Wellenbewegungen des Schiffes aus. Das sieht absolut lustig aus, wie sie so hin und her wackelt…
Kurz bevor sie losfliegt, merken wir, wie aufgeregt sie ist. Sie sucht ihre geeignete Abflugrampe (unter der Sprayhood) und startet – Ciao CINDY😊
Die ersten beiden Nächte wacht Ruedi die Fahrt allein. Ehrlich gesagt,ich habe noch zu viel Angst. Aber in der zweiten Nacht gehe ich immer wiedermal zu ihm raus, rede mit ihm oder bringe ihm zu trinken und essen. Sobald andere Schiffe zu nah kommen, unterstütze ich ihn beim Passieren. Das AIS (Automatic Identification System) hilft uns, die Schiffe zu orten, zu sehen wie schnell sie sind und welchen Kurs sie haben. Wir dürfen den grossen Schiffen nicht vor den Bug geraten, sondern sie im Heck kreuzen. Beeindruckend so in der Nacht!
In der dritten Nacht bin ich in zwei Etappen auch am Wachen. Das ist sehr schön und ich verliere diese Angst vor der Nacht. Das Meer ist weniger wellig, weil ich es nicht so sehe! Und der Himmel – es hat viel mehr Platz für Sterne hier.
Für unsere Sicherheit gehen wir normalerweise nicht aufs Vordeck. Nur wenn nötig und dann nicht, wenn der andere schläft. Wir haben beide volle Montur an. Das heisst, warme Bekleidung (lange Unterhosen, Faserpelz, Seglerjacken, Oelhosen,Mütze und Handschuhe), Rettungswesten mit Lifebelts. Die sind sehr wichtig, wir sind immer angeleint. Einmal habe ich nicht aufgepasst und eine Welle hat mich voll vom Sitz gehauen.
Schlafen tun wir im Salon und teilen uns dabei das Bett. Es ist ja ehn ur einer am Schlafen. So sind wir, falls etwas ist, schnell oben im Cockpit. Das Kochen ist etwas schwierig und macht wirklich keinen Spass. Der Herd lässt sich zwar automatisch den Wellenbewegungen anpassen, aber ich selbst werde hin und her geschleudert und muss höllisch aufpassen, dass ich nicht Kopf voran in die Wände donnere. Alles rutscht auch hin und her. Also habe ich bereits vorgekocht und wärme die Mahlzeiten nur auf. Aber essen für die Kraft und das Gemüt ist äusserst wichtig.
Die Körperhygiene lassen wir auf höchster Sparflamme. Es schaukelt wirklich zu arg😊
Gleich nachdem wir die Insel Porto Santo am Horizont entdecken, kommt das zweite Highlight der Überfahrt. Von weitem sehen wir viele Möwen im Wasser. Das bedeutet, dort ist ein Fischschwarm; und Delphine. Die kommen dann auch wirklich sofort zu uns und begleiten uns sage und schreibe eine Stunde lang.Das ist absolut faszinierend. Nicht nur zwei oder so, nein ganz viele geniessen unsere Bugwellen und düsen und springen was das Zeug hält. Herrlich 😊
Bei herrlichem Wetter und sehr müde ankern wir im Hafenbecken von Porto Santo. Morgen kümmern wir uns um einen Liegeplatz im Hafen. Jetzt wird nur geduscht und kurz aufgeräumt. Anschliessend melden wir uns bei der Guarda Nacional Republicana an und laufen danach in den Ort. Wir suchen ein Internet, um unsere Nächsten zu informieren, dass wir gut angekommen sind.
Total erschöpft und glücklich fallen wir ins Bett.
«Langsam realisieren wir, dass unsere Reise begonnen hat und wir unterwegs sind. Wandern von einem Ort zum anderen.»