26 – Crossing the Atlantic
Unsere Challenge
Warum haben wir unser Boot nicht bereits in der Karibik gekauft und hätten uns die Strapazen der Überfahrt über den Atlantik erspart? Weil wir etwas sehr Interessantes verpasst hätten! Eine solche Erfahrung gehört zu einer Segelreise einfach dazu.
«Das Wort Respekt bekommt eine grosse Bedeutung.»
Unser Start von Mindelo
Gut ausgeruht und vollgestopft mit Proviant in allen möglichen Nischen, sind wir am Donnerstagmorgen, 28. November 2019 von Mindelo nach Westen gestartet. Die Wettervorhersage für eine Woche haben wir ausgiebig studiert. Uns sind Daten wie Windrichtung und -stärke, Wellenrichtung und -höhe sowie die wahrscheinlichen Niederschläge wichtig. Auf der Internetseite passageweather.com finden wir unter anderem diese nötigen Informationen. Wir rechnen für die Fahrt mit 14-18 Tage. Wenn die Woche vorüber ist, müssen wir mit dem Wetter, das sich uns bietet, einfach zurechtkommen. Unterwegs erhalten wir keine aktuellen Wettervorhersagen.
SY TRINGA ist einen Tag früher gestartet. Werden wir sie unterwegs wieder treffen? Wohl kaum. Der Atlantik ist riesig und wir sehen nur am Anfang ein paar Segelschiffe, danach kein einziges mehr.
Die Segel haben wir sorgfältig gesetzt. In der Nähe der Inseln, sind noch die windverstärkten Zonen zu erwarten. Die ersten zwei bis drei Reisetage sind angenehm. Wir wissen es schon – unser Tagesrhythmus wird sich erst nach ungefähr 5 Tagen einpendeln. Was aber von Anfang an gut funktioniert, sind die Nachtwachen. Unser Prinzip ist, dass immer jemand im Cockpit ist. Wir haben die Nacht in 4 Schichten zu je 3 Stunden eingeteilt, die wir abwechselnd einnehmen. Der andere schläft dann im Salon in der vorbereiteten Koje mit Leesegel. Drei Stunden sind für uns passend, so dauert die Schicht nicht zu lange und der Schlaf ist gerade genügend, dass wir die nächste Schicht gut überstehen. Tagsüber legt sich jeder hin, wie er es geradenötig hat.
Wir segeln normalerweise mit eingeschaltetem Autopilot und müssen so nicht selbst steuern. Er erledigt dies gut – unser THIRD MAN. Er ist massgebend für die Einstellung der Segel. Schafft er es nicht mehr, müssen wir sofort handeln und die Segel reffen. Wir wollen das Material nicht unnötig belasten. Einmal ist der Autopilot aus dem Ruder gelaufen und das Schiff hat sich 45 Grad nach rechts gedreht. Dies haben wir sofort gemerkt. Da wir die Schiffsbewegungen mittlerweile gut kennen, spüren wir Veränderungen sehr schnell.
Der Schiffsalltag ist strapaziös
Durch die wechselnden Wachen müssen wir uns oft umziehen. Die Lifewesten werden immer schwerer und da die Temperatur kontinuierlich steigt (wir kommen nun wirklich in tropische Gegend), schwitzen wir auch immer mehr. Tägliches Duschen liegt nicht drin. Erstens ist dies sehr anstrengend, zweitens haben wir nicht so viel Wasser dabei. Aber wenn es dann soweit ist, ist es wunderschön und wir geniessen die frisch duftende Sauberkeit 😊
Im Schiffsleben ist nichts eine Selbstverständlichkeit!
Das Kochen und Essen ist so ein Thema für sich. Es schaukelt heftig hier auf dem Boot! Also bin ich zuerst schon einmal froh, dass mein Herd genau richtig hin und her pendelt und somit alles was auf dem Gas kocht in der Horizontalen gehalten wird. Die Zubereitung ist aber fast Hochleistungssport. Zwischen Gleichgewicht halten und der Überwachung der Zutaten und des Werkzeuges bin ich echt gefordert. Alles rollt oder rutscht hin und her oder fliegt sogar durch die Gegend. Gut gibt es Antirutschmatten! Die helfen ein bisschen. Dazu kommt die Temperatur und die liegt im Schiff bei +/- 29°C. Lüften liegt nicht immer drin, denn wir müssen jederzeit mit spritzenden Wellen rechnen.
Für die ersten paar Tage habe ich gut vorgekocht. So muss ich das Essen nur gerade mal aufwärmen. Aber später kläre ich zuerst ab, welches Gemüse oder so drankommt (bevor es fault). Meine Menüs werden immer kreativer. 1-Topf-Gerichte sind absolut in. Je länger die Fahrt dauert umso mehr müssen wir auf Dosenfutter oder Convenience Food umsteigen.
Frisches Brot: Auf Kap Verde habe ich frisches Brot mitgenommen, dies schmeckt aber spätestens am dritten Tag nach Styropor. Auf den Kanaren habe ich noch lang haltbares Sonnenblumenkernebrot gekauft; dies ist schon besser. Irgendwann taucht der Wunsch aber auf, selbst Brot zu backen. Und dies mache ich auch – am 8. Tag. Mensch, ist das fein!
Der Ausblick aus dem Cockpit der PASITO ist schnell beschrieben: Wellendes Wasser und Himmel. Das ist wunderschön. Immer wiederändert sich die Stimmung, je nach Stand der Sonne und Tageszeit. Einmal ist das Wasser wie flüssiges Metall, wenn es so im Gegenlicht schimmert, ein anderes Mal ist es tiefblau mit weisser Bugwelle und Gischt.
Oder die vielfältigen Formationen und Farben der Wolken. Und die Sonnenauf- und -untergänge. Immer wieder atemberaubend. Kann man sich daran eigentlich jemals satt sehen?
Am Anfang haben uns ein paar hochspringende Delphine begleitet, später hat sich von weitem eine verspielte Gruppe gezeigt. Ansonsten sehen wir ausser ein paar Vögel und den fliegenden Fischen keine Tiere.
Was ich ganz besonders mag ist, wenn die Welle von hinten anrollt, das Schiff hochhebt und vorwärts schiebt. Auf dem höchsten Stand der Welle kannst du leicht erhöht bis weit nach vorne zum Horizont gucken. Schönes Gefühl.
Nachts geniessen wir die einsame Zeit
Da wir ja ständig zusammen sind, sind diese Stunden mit sich allein sehr wertvoll. Eigenen Gedanken und Ideen nachhängen. Es ist immer wieder spannend und beeindruckend, was da alles studiert wird. Und welche Erinnerungen oder Erfahrungen da hochkommen und verdaut werden wollen!! Manchmal wächst du daran, ein andermal nervt es.
Der Nachthimmel ist wie erwartet sensationell. Wir können die ganze Milchstrasse in ihrer Pracht mit den unzähligen Sternen geniessen. Ab und zusehen wir Sternschnuppen. Wir haben das Glück, dass uns der zunehmende Mond begleitet und uns die Nacht etwas erhellt. Silberner Schimmer auf den Wellen…
Ich lese viel mit meiner Stirnlampe bestückt. Regelmässig blicke ich in die Runde nach anderen Schiffen. Zusätzlich kontrolliere ich die Windrichtung und -stärke. Wenn nötig muss gerefft oder mehr Segel gegeben werden. Falls ich unsicher bin, kann ich jederzeit Ruedi rufen.
Ruedi überwacht alle Messgeräte und versucht die Segel und Leinen immer optimal eingestellt zu haben. Die Pflege des Materials und des ganzen Schiffssystems ist für uns lebenswichtig. Alle Pumpen, das Motorenöl, die Stromproduktion, die Segel und Leinen, alles muss in möglichst gutem Zustand bleiben.
«Es ist das Schiff – PASITO – das uns über das Meer bringt; wir behandeln sie mit viel Respekt und grosser Sorgfalt.»
Wir sind geradewegs Richtung Westen unterwegs
Im Heck geht am Morgen die Sonne auf und vor dem Bug abends die Sonne wieder unter. So spüren wir deutlich, dass die Zeit auf dem Schiff sich ändert. Jeden Tag verschiebt sich der Sonnenauf- und -untergang nach hinten. Die Zeitverschiebung von Kap Verde zu Tobago beträgt 3 Stunden; die Uhrzeit werden wir aber erst beim Landfall anpassen.
Nun kommen wir in die Zonen (ca. ab 50° West), da erwarten uns die Squalls. Dies sind kurze heftige Regenwände. Bevor sie eintreffen, sehen wir sie von weitem als dunkle Wolken hinter unserem Schiff aufziehen. Dies ist für uns das Zeichen, die Segelfläche zu verringern oder uns zumindest darauf vorzubereiten. Kurz bevor uns diese Wand erreicht, nimmt der Wind merklich ab, um dann mit voller Wucht und heftigem Regen zuzuschlagen. Ist der Regen (zwischen 10-30 Minuten) vorbei, bleibt der stärkere Wind noch eine Zeitlang ein Begleiter. Erzieht uns regelrecht mit sich. Eindrücklich, diese kurze Naturgewalt.
Aber so kurz ist es nicht. Einen ganzen Tag lang tauchen diese Squalls immer wieder auf. Wir lassen die Segel raus und sobald einer von hinten eintrifft, reffen wir sie wieder. Und dies hin und her. Gegen Abend sieht es so aus, dass es in der Nacht so weitergehen wird. Wir stellen uns darauf ein und beschliessen beide, die ganze Nacht wach zu bleiben. Im Cockpit draussen. So können wir uns gegenseitig unterstützen. Ruedi ist für die Segel zuständig und ich überwache die Windstärke und den Autopiloten. Sobald der ausfallen würde, müsste ich das Ruder übernehmen. Aber der Autopilot macht dies gut, es passiert nur einmal.
Um doch etwas Schlaf zu kriegen, versuchen wir abwechselnd zu schlafen. Auf der Sitzbank ist dies unmöglich. Wir würden runterfallen, wenn die Wellen schräg kommen. So legen wir uns auf den Boden. Geht besser als erwartet 😊. Und so verbringen wir die Nacht. Es gibt wirklich romantischere Situationen als diese!
Was lehren uns diese Erfahrungen
Diese starke Eigenverantwortung ist uns voll bewusst. Wir haben keine Versicherung, die uns hier vor Ort hilft, wenn etwas ist. Wir haben kein Internet bei auftauchenden Fragen und Zweifel, um mal kurz den Lösungsansatz zu googeln. Oder andere Personen, welche wir um Unterstützung und Hilfe bitten könnten. Nein, wir sind das Team, die See-Mannschaft und müssen selbst wissen, was zu tun ist. Wir müssen rasch handeln und gut überlegen, was wir ans nächstes tun.
Früher haben wir spasshalber immer gesagt, dass wir über den grossen Teich segeln. Ab jetzt sagen wir nie mehr Teich zum Atlantik. Wir haben grossen Respekt vor dem, was wir tun. Es sieht so einfach aus. Aber dahinter steht viel. Auch viel Geduld. Du erlebst hier draussen allein, was es heisst 2200 Nautische Meilen zu bewältigen. Diese Distanz ist immens. Das wird dir hier so richtig bewusst. Du begibst dich in eine Situation, wo du nicht weisst, was passieren wird. Sei es hohe Wellen, vielleicht eine Kreuzsee, viel oder zu wenig Wind, Squalls, andere Schiffe, usw. Oder das Material – irgendetwas geht kaputt und du musst eine Lösung finden. Oder du selbst. Nicht immer ist es lustig und spannend. An manchen Tagen ist alles etwas grau und nervig und du fragst dich, «was machen wir da eigentlich». Aber dann einfach aufstehen und weggehen – das geht nicht.
Schlussendlich empfinden wir Stolz und Freude, wir geniessen die Fahrt. Und die Vorfreude auf das kommende Ziel – Tobago – wird immer grösser. Was erwartet uns auf dieser Insel. Sie soll sehr ursprünglich und echt karibisch sein. Wir werden sehen. Es schleicht sich aber neben der Neugierde auch etwas Angst hinzu… (wir haben da einige Berichte über Überfälle im Internet gelesen....).
Landfall in Tobego nach 14 Tagen
Das schwierigste ist, die Ankunftszeit zu planen. Es wäre äusserst ungünstig, in der Nacht einzutreffen und in einer fremden Umgebung zu ankern. Also rechnen wir die letzten beiden Tage aus, wie wir fahren müssen. Verhalten, um nicht zu schnell zu werden oder Gas geben und alle Segel raushängen. Wir haben gut gerechnet. Wir treffen ca. 15 Uhr (Ortszeit Tobago) ein.
Es ist ein überwältigendes Gefühl, wenn du zum ersten Mal die Inselkonturen entdeckst. Jetzt haben wir es geschafft. Über den grossen Atlantik. Zu zweit. Auf eigenem Kiel. Wow!
Es dauert noch ewig, bis wir endlich in die Bucht steuern können. Das ist das Verflixte. Wenn du die Insel entdeckst, geht es sicher noch ein paar Stunden bis du dort bist. Elend lang…
In der Bucht sind neun Segelboote vor Anker.
Doch uns erwartet trotz aller Freude noch ein Schrecken. Als Ruedi den Anker runterlassen möchte, geht die elektrische Ankerwinsch nicht mehr. Oje! Er muss den Anker von Hand runterlassen. Runter geht ja noch. Aber dann wieder rauf! Das ist ziemlich schwer und wir hoffen, dass sich Ruedi seinen Rücken nicht zu sehr damit belastet. Das ist leider unser weniger schöne Teil der Ankunft auf Tobago. Den dieses Problem können wir leider nicht so einfach lösen.
Aber trotz allem freuen wir uns riesig, dass wir da sind. Hier gibt es Bäume ohne Ende, alles ist grün. Herrlich. Und so viele Vögel. Das Wasser ist viel salziger als in Mindelo. Und die Menschen freundlich und offen.
Am nächsten Tag gehen wir zum Einklarieren zur Immigration und zum Customs. Hier ist es wichtig, damit wir keine Overtimegebühr zahlen müssen, anzugeben, dass wir den Anker zu Bürozeiten runtergelassen haben. Warum dies so zählt, wissen wir nicht. Gibt keinen wirklichen Sinn darin. Doch, Geld einzukassieren! Wir müssen unzählig viele Formulare ausfüllen und in der nahen Library Kopien vom Bootsschein, den Pässen und der Ausklarierung Mindelo machen! Den Kopierer bei der Immigration dürfen wir nicht benutzen!!?
Beim Customs müssen wir uns einen Rüffel anhören. Wir hätten gleich nach Ankunft, egal welche Uhrzeit auch wenn wir mitten in der Nacht gekommen wären, zum Customs gehen müssen!! Wir hören es uns ohne Wiederrede still an. Passiert aber weiter nichts mehr. Nun sind wir registriert und dürfen die Insel offiziell betreten. Wir nehmen auf dem Schiff noch unsere gelbe Quarantäneflagge runter und sind da.
Bald gibt es mehr Geschichten. Bye.
Habt ihr die Fotos schon vermisst?
Hier kommen sie ohne Unterbrechung 😉
Wasserimpressionen